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Die religiöse Melodie in sich entdecken

Hamburg: Das »Projekt Spiritualität« zeigt, wie Mystik und Meditation in das kirchliche Leben integriert werden können.

Von Thomas Bastar in der Zeitschrift Publik Forum

In der Kapelle des Kirchenkreisgebäudes in Hamburg-Volksdorf liegen weiße Wollmatten im Kreis, darauf stehen Meditationsbänkchen oder kleine Hocker. Dreizehn Frauen und drei Männer sind zum Meditationsabend gekommen. »Wege zum inneren Menschen« heißt die Veranstaltung, die Annekatrin Hennenhofer anbietet.

Zweimal im Monat trifft sich die Gruppe, jeweils für eineinhalb Stunden. Dieses Mal beginnt die Theologin mit einem Zitat des Mystikers Meister Eckhart und lädt dann ein zu einem »Körpergebet«. Im Stehen führen die Teilnehmer die Hände zum Herzen, zur Seite, nach oben, nach unten und in einer großen kreisenden Bewegung zurück zum Herzen. »Wir richten uns auf das, was wir Gott nennen oder Liebe, Kraft oder Wahrheit«, sagt Hennenhofer erklärend zur Bewegung nach oben. Nach dem Körpergebet, das jeder noch einmal für sich wiederholen kann, ist Stille: Zeit zum Wahrnehmen des eigenen Körpers, des Atems, der inneren Stimme oder zum inneren Wiederholen eines Gebetswortes: »Shalom« oder »Du in mir – ich in dir«.

Die Gruppe ist Teil des Projekts Spiritualität, das der Kirchenkreis Stormarn der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche vor neun Jahren gegründet hat und das Annekatrin Hennenhofer leitet. Besonders kirchenferne Menschen will Hennenhofer mit ihrem Projekt erreichen, Menschen, die nach ihrer »inneren religiösen Melodie« suchen – innerhalb und außerhalb der Kirche. Denn auch unter den Kirchenmitgliedern fühlt sich nur ein kleinerer Teil von den Angeboten der Kirchengemeinden angesprochen, wie Mitgliederbefragungen ergaben. Daher verteilt sie die Halbjahresprogramme nicht nur in Gemeinden, sondern auch in Arztpraxen, bei Heilpraktikern und Psychotherapeuten,
in Apotheken und Buchläden.

Tatsächlich gelingt es ihr damit, auch kirchenferne Menschen anzusprechen. So etwa jene Frau aus der Meditationsgruppe, die von sich selbst sagt, dass sie mit der Kirche nichts zu tun habe, aber in der Meditation erfahre, dass es »etwas Spirituelles gibt, eine Kraft, ein Licht, etwas Göttliches in mir« – und die sich selbst wundert, dass sie zur Erklärung das Wort Gott benutzt.

Eine andere Frau, von Haus aus katholisch, hat in der Kirchengemeinde nicht gefunden, was sie suchte, konnte aber dank der Meditationsübungen ihr Gottesbild klären: weg vom strafenden, hin zu einem befreienden Gott. Und einer der drei Männer aus der Gruppe, der sich lange Zeit zum Buddhismus hin orientierte, wollte wissen, ob auch in seiner eigenen religiösen Tradition solche spirituellen Erfahrungen möglich sind, wie er sie in Asien kennenlernte.

Das ist nicht untypisch: »Bei den christlichen Wurzeln bleiben und offen und tolerant gegenüber anderen Religionen sein, das ist es, was die Leute von uns erwarten«, erklärt Annekatrin Hennenhofer. Daher sind ihre Angebote, die anfangs mehr asiatische Methoden wie Qi Gong und Zen umfassten, jetzt stärker christlich fokussiert. »Ich verstehe es als meine Aufgabe, die alten christlichen Wege der Mystik in neue Erfahrungen zu übersetzen«, sagt die Theologin, die selbst seit vielen Jahren das »Herzensgebet« praktiziert, eine meditative Form des Gebetes, bei der immer wieder der Name Jesu Christi ausgesprochen wird. Neben Meditationsseminaren, meditativem Singen und Tanzworkshops bietet das Programm meditative Taizé-Andachten, byzantinische Lichtrituale und Übungen im Herzensgebet; dazu Vorträge und Übungen in gewaltfreier Kommunikation. Das meiste davon findet in kleinen Gruppen statt. Daher sind es auch nicht die Massen, die Hennenhofer mit ihrem Projekt erreicht. 250 bis 300 Teilnehmer pro Halbjahr verzeichnet sie. »Mir ist es wichtig, die einzelnen Menschen auf ihrem spirituellen Weg zu begleiten«, sagt sie. Die Theologin lädt auch zu Einzelgesprächen ein. Mittlerweile gibt es einen festen Kreis von Menschen, die immer wieder diese Angebote wahrnehmen. Jedes Jahr kommen rund vierzig Prozent der Teilnehmer neu hinzu. Viele nehmen erst niederschwellige Angebote wahr, wie das Tanzen oder Singen, um sich später auch an Meditationsgruppen oder das Herzensgebet heranzuwagen. In den Kirchengemeinden fehle vielen die Stille und eine mystisch geprägte Spiritualität, sagt Hennenhofer. »Wir wollen Räume öffnen für spirituelle Erfahrungen, aber wir sind keine Kirchengemeinde.« Und auch keine Konkurrenz zu den Gemeinden. Viele Pastoren, berichtetsie, seien froh, dass sie Suchende auf die Angebote des »Projekts Spiritualität« hinweisen können.

Für die Zukunft wünscht sich die Theologin, dass es auch in den Kirchengemeinden mehr Angebote für Meditation und kontemplative Übungswege gebe. Zudem möchte sie die Fragen, die Teilnehmer ihrer Veranstaltungen stellen, stärker in die Kirche hinein vermitteln. Das sei zur Reflexion der kirchlichen Arbeit hilfreich: »Distanzierte stellen Fragen nach der Tradition, nach dem Gottesbild, sie suchen alltagstaugliche Wege – und das ist etwas, das auch zur innerkirchlichen Organisationsentwicklung beitragen kann.

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